Dtsch
Arztebl 2007; 104(45): A-3125
Bischoff,
Helmuth
Zeitgenössische
Afrikanische Kunst: Abseits des Mainstreams
KULTUR
Die Galerie
Bettendorff in der Nähe von Heidelberg beherbergt eine der weltweit größten
Sammlungen von Shona-Skulpturen.
In der ländlichen Idylle des Dörfchens Gauangelloch nahe Heidelberg träumt ein
Wasserschloss aus dem 15. Jahrhundert vor sich hin. Dessen Garten beherbergt
eine der weltweit größten Sammlungen von Shona-Plastiken, benannt nach der
größten Bevölkerungsgruppe in Simbabwe. Musée Rodin in Paris, Museum of Modern
Art New York, Biennale in Venedig und Bettendorffsche Galerie in Gauangelloch:
Wenn es um die Präsentation von Shona-Bildhauern geht, ist diese Reihung
stimmig.
Freddy Freiherr von Bettendorff-Escorsell Ring ist Eigentümer des Anwesens und
Gründer der Galerie. Der Freiherr und sein Team aus der Galerie bitten zum
Gespräch auf die Terrasse des Hauses, das im 19. Jahrhundert noch als Kapelle
des Wasserschlosses diente. Bei einem Besuch der EXPO 1992 in Sevilla
faszinierten ihn die dort ausgestellten Steinskulpturen aus Simbabwe. Er machte
die Bekanntschaft von Roy Guthries, Direktor des Chapungu-Skulpturenparks in
Harare. Die Idee, solche Arbeiten in Gauangelloch zu präsentieren, nahm schnell
Gestalt an. Mit Unterstützung engagierter Experten kam es schon 1993 zur
Eröffnung der Galerie. Das Anliegen der Sammlung und der Wechselausstellungen beschreiben
Freddy von Bettendorff und die ihn unterstützenden Kunsthistoriker Beatrix
Altmann-Schmitt, Vera Wisseler und Thomas O. Kuhnle wie folgt: „Es geht uns
darum, afrikanische Kunst aus den Völkerkundemuseen zu befreien und einem
interessierten Publikum vor allem an Beispielen aus Nigeria und Simbabwe zu
zeigen. Wechselausstellungen zeigen natürlich auch Künstler aus Kenia,
Tansania, Botswana und anderen afrikanischen Ländern. Unser Publikum erfährt,
dass die zeitgenössische Kunst Afrikas mehr zu bieten hat als Holzmasken und
Folklore.“
Afrikanische
Kunst hat mehr zu bieten als Holzmasken und Folklore.
In der
Sammlung, die im Wiesengarten sowie im Gewölbekeller und Obergeschoss des
Schlösschens präsentiert wird, bilden Shona-Skulpturen aus Simbabwe den
Schwerpunkt. Ohne in der Steinbildhauerei verwurzelt zu sein und ohne
akademisch-künstlerische Ausbildung, begannen in den 1960er-Jahren Landarbeiter
und Tagelöhner mit der Bearbeitung des örtlichen Serpentingesteins. Sie
schlossen sich unter der Leitung des ehemaligen Farmers Tom Blomefield und des
Direktors der Nationalgalerie in Harare, Frank McEwen, zu Workshops zusammen.
Es entwickelte sich eine Kunstrichtung, die heute als Shona-Plastik
international anerkannt ist. Sammler bezahlen für die Arbeiten von Künstlern
wie Henry Munyaradzi oder Bernard Matemera bis zu 40 000 Euro. Nur in Ausnahmen
ist es möglich, den Arbeiten eine bestimmte Botschaft zuzuschreiben. Sie
stellen oft mütterliche Antlitze von metaphysischer Eindringlichkeit dar.
Tierkörper wie Raubkatzen oder Paviane beziehen sich auf die Mythologie der
Shona und symbolisieren Buschgeister oder menschliche Attribute wie Macht oder
Güte. „Wir arbeiten ohne Plan. Die Form ist vom Stein vorherbestimmt, sie kommt
aus ihm heraus.“ So zitierte die Zeitschrift „art“ einen Shona-Künstler der
ersten Generation. Nur in Ausnahmen werden gesellschaftliche oder politische
Erfahrungen verarbeitet. Zu diesen Ausnahmen zählt die auf der Terrasse des
Wasserschlosses stehende Skulptur „Living With the Virus“ von Joseph Muzondo.
In Simbabwe liegt die Rate der Aidsinfektionen bei den 15- bis 49-Jährigen bei
35 Prozent.
Fotos: Christoph Blüthner
Die
Galeristen aus Gauangelloch wollen die Entwicklung der afrikanischen
Gegenwartskunst fördern. Neben international bekannten Künstlern stellen sie
immer wieder auch neue Arbeiten aus. Daneben zielt die Präsentation
europäischer Künstler, die sich in ihren Werken mit Afrika beschäftigen, auf
einen Dialog der Kulturen ab. So fand man in jüngeren Programmen unter anderem
den in Windhoek geborenen und inzwischen in Deutschland lebenden Hans-Peter Lübke
mit seinen Bildern und Plastiken. Die Heidelberger Objektkünstlerin Caroline
Laengerer war 2006 in einer Gemeinschaftsausstellung mit zwei nigerianischen
Malern im Dialog. Die „Frauenbilder Afrikas“ des Schweizer Kunstsammlers Alfred
Spinnler vereinten gleich 20 junge afrikanische Künstler.
Helmuth Bischoff
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